Trotz Dyskalkulie Lerneifer
Samstag früh, vier schüchterne Kids sitzen ängstlich mit ihren Müttern und einigen Coaches in einem Seminarraum. Sie wissen, gleich geht es mal wieder um ein Thema, das sie so gar nicht beherrschen: Mathe. Warum? Zahlen verdrehen sich in ihrem Kopf, erscheinen spiegelverkehrt, doppelt, unvollständig. Aussichtslos, mit ihnen zu rechnen. Sie haben auch keine Vorstellung davon, wie viel 7×5 ist oder wie lange ein Weg zum Bäcker dauert. Therapeuten haben es bestätigt: Diese vier haben Dyskalkulie.
Dyskalkulie ist eine Entwicklungsstörung, die in Schulen bei Kindern oft nicht erkannt wird. Meist beginnt mit Schulbeginn für Kinder und Eltern ein langer Leidensweg, der häufig zu Schulfrust, Matheangst und Versagensängsten führt. Das Problem:
Ohne individuelle Förderung sind Lernfortschritte meist sehr schwer bis fast gar nicht möglich. Auch wenn der oder die Betroffenen mehr Zeit zum Lösen der Aufgaben bekommen würde, würden sich die Zahlen weiterhin verdrehen.Völlig unverständlich ist, dass jedes Bundesland mit dieser Lernstörung unterschiedlich umgeht. In nur 7 Bundesländern ist sie überhaupt anerkannt, in einigen gilt diese Störung als Schwerbehinderung, in anderen taucht sie bei den Festlegungen zum Förderbedarf nicht auf.
Neu: Lernsysteme für Dyskalkulie-Kinder
Das Geheimnis liegt in der rechten Gehirnhälfte verborgen
Die Akademie für Lernmethoden hat mehrere Systeme entwickelt, um genau diesen Kindern zu helfen. Eine Möglichkeit ist, ihnen im Seminar zu zeigen, wie viel Spaß Rechnen trotz dieser Störung machen kann. Der Grundgedanke ist einfach: Die Störung zum Rechnen liegt in der Regel in der linken Gehirnhälfte.
Die rechte Gehirnhälfte aber beschäftigt sich mit Formen, Farben und Bildern. Daher hatte Jens Voigt, der Leiter der Akademie für Lernmethoden, vor einigen Jahren die Idee, insbesondere die Kompetenzen der rechten Gehirnhälfte anzuzapfen. Die abstrakten Zahlen mussten in Bilder verwandelt werden. Damit haben diese Kinder keinerlei Probleme.
So entstanden im Laufe der Zeit ein völlig neuartiges System zum Erlernen des 1×1, ein Zahlenverständnis-System namens „Enten und Küken“ und diverse Lernspiele. All dies wird im Seminar: „Damit Rechnen wieder Spaß macht“ umgesetzt.
So nach 30 Minuten beginnen sich die Kinder zu verwandeln, auch körperlich sichtbar: Ihr Sitz ist aufrechter, die Augen wacher, sie sind ins Seminargeschehen eingetaucht. Die Eltern erkennen ihre Kinder nicht wieder.
“Das 1×1 ist gar nicht mehr schwer.Darf ich das 1×1 von der 6 vortragen?“
„Gerne, aber vorwärts und rückwärts!“
„Okay, kein Problem.“
Strahlend und selbstbewusst hört die staunende Seminargruppe von der achtjährigen Jette, die bisher im Zahlenbereich 10 unterwegs war:
„6,12,18,24,30,36,42,48,54,60,54,48,42,…“
Mittlerweile weiß auch Benni, dass das Multiplizieren eine riesige Zeitersparnis ist, als wenn man 6+6+6+6+6+6+6+6+6 rechnen müsste. Spätestens als alle Teilnehmer begeistert mit den riesigen Gigi-Papp-Bausteinen Skulpturen bauen durften.
“Ist das wirklich Mathe?”
Was die Akademie anders als die Schule macht
Wir spielten mit den Kindern, verwandelten unter anderem mit ihnen Zahlen in Bilder. Nach einem in der Akademie entwickelten System. Eine Drei ist dann keine Ziffer, sondern ein Junge auf einem Dreirad, eine Dreißig ein Dreieck, weil es drei Ecken hat. Eine Zwanzig wird zum ein Schwan und eine Vier zu vier Musketieren.
Die Vierundzwanzig verwandeln die Kinder in einen Schwan, auf dem vier winzige Musketiere kämpfen.
Immer wieder vergewissert sich der Seminarleiter:
“Könnt ihr das Bild vor eurem geistigen Auge sehen?“
„Ja!“
„Prima, dann können wir fortfahren.“
Schon kommt die nächste Zahl:„Wie wäre es mit der 42?“
Aus zwei vorgegebenen Listen gestalten nun die Kinder ihr Bild selbst:
„Die Vierzig ist ein Auto, weil es vier Räder hat und die Zwei ist eine Hose“, entnehmen sie der Tabelle.
„Das Auto hat eine Hose an,“ juchst jemand. „Nein, aus meinem Auto hängt eine Hose zum Trocknen raus, weil der Fahrer eingepullert hat,“ kichert Elina. Alle lachen.
Die Ziffern “24” und “42” sind für Dyskalkulie-Kinder kaum zu unterscheiden, aber die Bilder „Schwan mit 4 Musketieren“ und „Auto mit Hose“ sind einfach unverwechselbar.
Nach etwa zwanzig Minuten sind alle Ergebnisse des kleinen 1×1 in Bilder verwandelt. Es sind übrigens nur 27. Kurze Kontrolle: Alles sitzt!
Nun werden die Bilder in imaginäre Flugzeuge verladen und in die Luft geschickt. Vor ihren geistigen Augen fliegen nun Fluggeräte mit den verrücktesten Bildern im Raum:
Ein Schwan, der von einem Oktopus einen Heiratsantrag bekommt (28), ein Dreieck mit einer Strichliste (35), eine Hand mit einem krabbelnden Käfer (56) und 24 weitere.
Um die Malfolgen zu beherrschen, müssen die Flugzeuge auch wieder landen. Aber auch hier mit System: Fluglotse Jens bestimmt: Erst einmal nur die Flugzeuge erhalten Landeerlaubnis, die die Bilder der 6er-Malfolge transportieren. Jede Malfolge landet auf einer speziellen, unverwechselbaren Landebahn, einer Gedächtnisliste.
Einmal gelandet, werden aus den Bildern dann wieder Zahlen:
5×7? 30 (Dreieck) 5 (Strichliste). Das Ergebnis ist 35!
Klingt für Menschen ohne Dyskalkulie viel zu aufwändig, funktioniert aber bei den Kinder mit dieser Lernstörung immer.
Immerhin wird das von der Akademie entwickelte Verfahren mittlerweile von Dyskalkulie-Trainern in 12 Bundesländern eingesetzt und auch dort funktioniert es tadellos. Nur in den Schulen ist diese Idee noch nicht so richtig angekommen.
Sumblox im Einsatz
mit “Ball-im-Tor-Effekt”
Fazit- nur Zeitersparnis?
Das Ergebnis des Seminars: Die Sechser-Malfolge, die normalerweise von einem Dyskalkulie-Kind in Einzelbetreuung in 4-6 Wochen beherrscht wird, sitzt nun nach nur 20 Minuten. Ein Wunder? Für die Eltern ist es eines. Tränen der Freude kullern über Mamas Wangen, sie kann gar nicht glauben, wie viel Spaß ihrem Kind plötzlich Mathe macht. Ein langer Leidensweg scheint beendet.
Hausaufgabe für alle: Auf die gleiche Art und Weise die Malfolgen mit der 4, 7 und 8 zu lernen. Die Mamas versprechen es, die Kids freuen sich sogar darauf. In 10 Tagen können die Kinder etwas, was sie ohne Hilfe sicher bis zum Ende der 10. Klasse nicht gelernt hätten.
Dann werden die Eltern des Raumes verwiesen und Voigt ist mit den Kids allein. Zeit, ein paar Tricks auszupacken. Wie wäre es mit dem Multiplizieren mit der 11? 23 x 11 = 2 5 3. (2+3=5 und die bitte in die Mitte schreiben) oder mit dieser Aufgabe: 1111111 x 1111111?
Okay, nachher dürfen die Eltern die Aufgabe mit dem Taschenrechner rechnen.
Sie werden keine Chance haben, wenn die Kids in Rekordgeschwindigkeit 1.234.567.654.321 aufschreiben.
Spätestens dann wird das Lachen der Kinder nicht mehr aufhören.
Was folgt, sind Additionen mit Enten und Küken, Goldschürfen, Spiele, in denen Pinguine befreit werden müssen oder das Erlernen einiger Zaubertricks.
Die Verwandlung
Nach 2 x 5 Stunden Mathe hat es eine Verwandlung gegeben: Aus verschüchterten Kindern sind lebenslustige, aufgekratzte Kinder geworden, die am Rechnen richtig Spaß gewonnen haben.„Mathe macht richtig Spaß und ist ja gar nicht schwer,“ strahlt die achtjährige Nadine.
Das Wichtigste aber ist, dass die Kinder nun wissen, dass sie weder dumm noch unbegabt sind, vielleicht sogar das Gegenteil, denn sie scheinen ganz schön viel drauf zu haben.
Mama ist begeistert
>>Hier geht’s zum nächsten Matheseminar<<
Jens Voigt