Tipps zum gehirn-gerechten Umgang mit Lampenfieber

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Lieber Herr Voigt,

wie sie vielleicht schon wissen, spiele ich seit einigen Jahren Saxophon. Manchmal habe ich auch Auftritte -nicht nur mit dem Orchester, sondern auch allein.
Meistens ist es dann so, dass ich vorher nicht aufgeregt bin, doch kurz bevor der erste Ton gespielt wird, werde ich so aufgeregt, dass ich nicht
mehr sehr konzentriert bin und mich öfters verspiele. Das ist mir ehrlich gesagt ein wenig peinlich.  Deshalb wollte ich Sie fragen, ob Sie eventuell eine Methode kennen,
mit der man die Konzentration fördern kann.
Marie-  Antonia

Liebe Marie-Antonia,

ich kann das sehr gut nachvollziehen- da tauchen aus meinen Jugendtagen die Klaviervorspiele auf. Was habe ich das Klavierspielen geliebt und das Vorspielen gehasst. Man geht an den Flügel. Es ist mucksmäuschenstill, man schaut auf die Noten…. und es sind keine da. Ein weißes Blatt  Panik. Wieso sehe ich die Noten nicht? Mit welchem Ton anfangen? Hat man dann begonnen, ist man schnell “drin” , aber bis dahin war es immer der blanke Horror.

Ja, Lampenfieber kann schrecklich sein. Zu dieser “Krankheit” gehören feuchte Hände ( Toll für einen Instrumentalisten), ein nassgeschwitzter Rücken, Herzrasen, Appetitlosigkeit, der ständige Drang, zur Toilette zu müssen und ein trockener Mund ( super für Redner und Sänger). Dabei hat Lampenfieber ja auch seine Berechtigung. Gehabt- damals, in der Steinzeit, als man sich vor dem Säbelzahntiger retten musste oder gefährliche Situationen überstehen.

Was  passiert (damals wie heute) im Körper, wenn wir Lampenfieber haben?

Ein ganz bestimmtes Hormon wird ausgeschüttet. Adrenalin. Durch Adrenalin wird man hellwach, aber eigentlich zum Flüchten. Du könntest nun besonders schnell rennen- weg vom Publikum
( möchte man dann gerne, aber es geht ja nicht). Was also tun?

7 Tipps , die gegen Lampenfieber helfen

1. Durch das Wegrennen haben unsere Vorfahren das Adrenalin wieder abgebaut. Das könntest du auch tun- bewege dich vor deinem Vortrag. Laufe hin und her, unterhalte dich, tu etwas. Das lässt den Adrenalinspiegel nicht ganz so hoch ansteigen.
Auch in der mündlichen Abiprüfung habe ich meinen Schülern stets empfohlen, wenigstens einmal zur Toilette zu gehen, um den Adrenalinhaushalt zu stabilisieren. Und um das Blut zirkulieren zu lassen.

2. Langfristig würden natürlich auch Entspannungsprogramme helfen wie Tai Chi, Yoga, autogenes Training, Meditation (vielleicht ein Mandala ausmalen), diverse Atemübungen. Aber das hilft nicht kurzfristig, eher langfristig- 3-6 Monate müsste man das üben.  Toll wäre hier in einem sogenannten Alphazustand zu sein- da ist man entspannt und doch in Höchstform. Beneidenswert, wer das schafft. Es gibt aber mittlerweile sogar Geräte, die das schaffen- ISONO zB. heißt solch ein Gerät, aber das ist ziemlich teuer. Mit 2000 € muss man da schon rechnen.

3. Manche Leute rennen zur Apotheke und holen sich Gegenspieler gegen das Adrenalin. L- Tyrosin und L- Tryptophan haben im Körper die Aufgabe, die  Adrenalinausschüttung zu reduzieren. Aber das kommt für dich nicht infrage, außer es ist so extrem, dass der Arzt dies empfiehlt.
Übrigens hilft hier etwas ganz Profanes: Walnüsse, eine Handvoll reicht da schon.

4. Übrigens soll zum Beispiel Traubenzucker nicht helfen, wenn man sich besonders Energie zuführen möchte. Nach 5 Minuten ist der Energieschub vorbei und man begibt sich in einen kleinen Teufelskreis von Unterzuckerung und Überzuckerung. Besser ist hier ein Energiequelle, die langsam die Energie in den Körper abgibt:  Müsliriegel, Vollkornbrot, Nüsse und Trockenobst (Studentenfutter).

5. Noch ein kleiner Geheimtipp:
Die sogenannte Tapetentechnik ala Birkenbihl:
Schon beim Üben sich die Situation des Vortrages so intensiv vorstellen, als würde man vor einem großen Publikum spielen. Zieh beim Üben schon deine Konzertkleidung an.
Such dir ein cooles Parfum aus und träufle es auf deinen Handrücken. Das machst du zum Konzert auch. Und kurz vor dem Beginn deines Vortrages riechst du kurz dran.

6. Ich war immer besonders aufgeregt, wenn ich wusste, dass ich nicht genug geübt hatte. Es spielt natürlich auch die Sicherheit eine Rolle, ob man besonders aufgeregt ist oder eher weniger.
Du weißt, was du kannst und mir hilft z.B. bei meinen Seminaren, wenn ich mir sage, ich bin ein Experte auf meinem Gebiet und im Publikum sitzt kaum einer, der diesen Part ähnlich gut kann wie du. Dafür halte ich ja den Vortrag, um mein Wissen weiter zu geben. Daher macht es mir mittlerweile nichts aus, auch vor 300 Leuten oder mehr zu reden. Frei und ohne Stichwortzettel.

7. Nutze doch das Lampenfieber als Chance. Wenn es nicht zu groß wird, heiße es herzlich willkommen und bedanke dich bei ihm, dass du dich in der ersten Zeit besonders gut konzentrieren kannst.
Behandle es wie einen Freund, der mal vorbei schaut, um dir zu lauschen und um dich zu fordern, um immer besser zu werden. Und wenn es anfangs doch noch zu doll ist, rede ihm freundschaftlich zu und sage ihm :” Ein bisschen weniger reicht auch, okay?

Und wenn das alles noch nicht reicht, dann sage dir einfach: “was geht’s mich an, wenn irgendwelche Lampen  Fieber haben.”

Ich hoffe, ich konnte dir damit ein wenig weiterhelfen und freue mich darauf, wenn ich dich einmal mit deinem Saxophon erleben darf.

 

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