Das Lernen lernen- Training mit einem 10jährigen

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Es macht mir großen Spaß, Kinder und Erwachsene auch einzeln in Coachings zu betreuen und live zu erleben, wie sich Lernerfolge einstellen. Heute möchte ich einmal von einem Individual-Coaching berichten.

Wenn coole Lernmethoden auf Neuromechanismen treffen

Darf ich vorstellen: Jeremy

Jeremy ist 10 Jahre alt und geht in Klasse 4. Das Lesen und Schreiben fällt ihm schwer. Die Schule erkannte ihm einen Nachteilsausgleich zu. Nach Meinung der Lehrer kann sich Jeremy nicht länger als 15 Minuten am Stück auf eine Sache konzentrieren. Er selbst sieht sich am hinteren Ende der Klasse. Schule mag er nicht.
Mein Plan für die heutigen 2 Coachingstunden war, ihn für ein spezielles Thema zu begeistern: Vulkanismus. Das wollte ich systematisch, aber auch spielerisch angehen.

1. Einstieg mit Rätseln

Zu Anfang gab ich ihm vier Rätsel im Stile von Vera F. Birkenbihls WQS auf .  Auf jede Frage musste er kurz eine Antwort geben, ohne dass ich ihm die richtigen Antworten verriet.

1. Wer schläft manchmal jahrelang?
2. Was haben eine Schildkröte und ein Verkehrskegel gemeinsam?
3. Wie heißt der römische Gott des Feuers?
4. Was ist kein Lebewesen und kein Fahrzeug und auch nicht der Wind, aber doch doppelt so schnell als du Fahrrad fahren kannst?

2. ABC- Liste als Inventur des inneren Archivs

Als nächstes bat ich ihn, in einer vorbereiteten ABC- Liste Wörter einzutragen, die ihm beim Thema Vulkanismus einfallen würden. Nach zwei Minuten standen die Wörter Berg, Feuer heiß, hell, leuchtet in der Nacht, Lava.

3. Fragen formulieren

„Stell dir vor, ein Zauberer könnte dich so verzaubern, dass all deine Fragen über Vulkane beantwortet würden. Du müsstest ihm aber all die Fragen stellen. Welche Fragen wären das? Jeremy überlegte kurz, dann sprudelte es aus ihm nur noch so heraus. Ich kam kaum mit dem Schreiben mit:

Ist jeder Vulkan gleich gefährlich?
Wie entsteht ein Vulkan?
Kann man einen Ausbruch stoppen?
Wie kann man ihm entkommen?
Wie sieht ein Vulkan von innen aus?
Wie heiß ist die Lava?
Kann ein Vulkan wachsen?
Wie viele Vulkane gibt es auf der ganzen Welt?
Wie hart sind die Vulkansteine?
Was sind das für Gesteine?
Wodurch entsteht der Druck im Vulkan?
Welches ist der höchste Vulkan?
Seine Wissbegier war mit Händen zu greifen.

4. Informationen bekommen

Nun überlegten wir gemeinsam, wie all diese Fragen auch ohne Zauberstab beantwortet werden könnten. Google fiel ihm ein und Wikipedia, aber auch die Internetseite Frag Finn.de. Okay, da müsste er zwar auch lesen, aber ja, auch Erdkundebücher könnten helfen. Wir wurden fündig. Im Atlas entdeckten wir, dass es in Deutschland auch Vulkane gab. Jeremy machte sich Stichpunkte, um alles zu behalten.
Wir fanden im Internet auf YouTube je zwei gut gemachte Kurzfilme von TheSimpleGeography über einen Schicht- und einen Schildvulkan. Nach und nach wurden Jeremys Fragen beantwortet.

5. Anschauungsmaterial nutzen- anfassen

Für die Frage, welche Gesteine bei Vulkanen entstehen, holte ich einen Basalt, einen Porphyr, eine Vulkanbombe mit eingeschlossenen Kristall und einen Tuff aus meiner Gesteinssammlung. Staunend konnte er kaum die Augen davon lassen.

6. Modell bauen

Nun war es an uns, einen echten Schichtvulkan zu bauen. Aus Gigi-Bausteinen natürlich. Für Lava und Ascheregen brauchten wir Buntpapier und die drei Steine aus der Sammlung. Jetzt war Jeremy kaum zu halten. Aufgeregt baute er sehr systematisch die einzelnen Elemente des Vulkans ein und wollte auch zeigen, dass sich der Vulkan im Laufe der Zeit größer wird.
Bilder

Mit Gigi- Bausteinen ein Vulkanmodell bauen

7. Ergebnissicherung

Nun gingen wir noch einmal alle Fragen durch, die sich Jeremy selbst gestellt hatte, die meisten waren beantwortet. Offenbar auch ohne Zauberstab. Die ABC- Liste füllte sich diesmal mit Leichtigkeit und nach 2 Minuten standen nun 25 Wörter auf seinem Blatt.

Die Rätsel vom Anfang? Jeremy wusste noch alle 4 und löste sie mit Vergnügen:

1. Wer schläft manchmal jahrelang?
Natürlich Vulkane. Sie können viele 1000 Jahre lang schlafen, um dann plötzlich wieder zu erwachen.

2. Was haben eine Schildkröte und ein Verkehrskegel gemeinsam?
Ein Schildvulkan sieht wie eine Schildkröte aus und ein Schichtvulkan wie ein Verkehrskegel.

3. Wie heißt der römische Gott des Feuers?
Vulkan

4. Was ist kein Lebewesen und kein Fahrzeug und auch nicht der Wind, aber doch doppelt so schnell als du Fahrrad fahren kannst?
Beim Schildvulkan kann die Lava bis zu 60 km/h schnell fließen, weil dort das Magma viel flüssiger ist als bei einem Schichtvulkan, der übrigens explodieren kann, weil da sehr viel Gas entsteht.
8. Wiederholung und Wissen neu strukturieren, visualisieren

Als Hausaufgabe darf Jeremy ein Mindmap über Vulkanismus zeichnen. Auch wenn er nicht gerne schreibt, freut er sich darauf. Ich habe ihm ein paar Äste mit ein paar wenigen Begriffen bereits vorbereitet.
Als er sich von mir verabschiedete, schenkte ich ihm einen Basaltstein, den er wie einen Edelstein entgegennahm.

Fazit -So funktioniert Lernen

Jeremy war zu keiner Zeit unaufmerksam und konnte sich 120 Minuten lang am Stück konzentrieren. Er lernte in seiner eigenen Geschwindigkeit. Mit leuchtenden Augen demonstrierte Jeremy zuletzt seinen staunenden Eltern unseren gebauten Vulkan, der am Ende auch noch unter lautem Krach und Bumm ausbrach und ein Trümmerfeld hinterließ und er zeigte stolz seine gefüllte ABC- Liste.

Zum Einsatz kamen 2x die ABC- Liste, Rätsel, Fragen stellen, Video selektiv sehen, Notizen machen, Nachschlagen in Büchern, einfaches Auswerten einer Atlaskarte und das Bauen eines Vulkans mit Erklärung all seiner Bestandteile.
Zur Systematisierung wird ein Mindmap zu Hause angelegt, das wir beim nächsten Mal auswerten werden.
Hat Jeremy heute das Lernen gemocht? Aber ja. Hatte er Erfolgserlebnisse? Ja! Ja! Ja! War er stolz auf das Erreichte? Hat er begeistert davon erzählt? Zweimal Ja.
Nach dem System von Vera Birkenbihls Kügeli- System war ich bei 30 Kügeli angekommen. Ab 7 Kügeli wird das Lernen leicht. Unter 4 Kügeli ist Lernen nicht möglich. Ziel erreicht. Hat uns beiden Spaß gemacht.

Spielend lernen und das mit Erfolg.
Euer Jens

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