Rechnen lernen mit Gigi, Indern und Voigtis 1×1- System contra Dyskalkulie

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Rechenschwäche? In nur 2 Tagen saß das 1×1 bei allen jungen Teilnehmern. Das Wichtigste: Sie hatten Spaß beim Rechnen. Mathe kann also doch unterhaltsam sein.

Unser Plan: Ein Mathe-Seminar für Kinder mit Dyskalkulie und Rechenschwäche aufbauen

Ermutigt durch viele Coachingstunden mit Kindern zum Thema Rechnen und Kopfrechnen hatten wir ein Konzept erarbeitet, das uns schlüssig schien. Die Theorie ist das eine, die Praxis etwas anderes. Daher stand die Frage im Raum, ob es uns gelingen würde, den Kindern Nora, Mina, Finn und Lukas ganze 8 Stunden (Sa 4, So 4) fürs Rechnen zu begeistern. Es wurde das, was wir uns erträumt hatten: „Allen Teilnehmern machte Mathe (erstmals) Spaß “.

Am vergangenen Wochenende war es in Blossin soweit: In unserem ersten Eltern- Kind- Seminar zu diesem Thema schauten wir in erwartungsfrohe Kinderaugen und in hilfesuchende der Eltern. Allzu häufig werden Kinder mit Rechenschwäche und Dyskalkulie als dumm angesehen. Das Gegenteil ist der Fall. Ihre gehirne müssen viel schneller arbeiten als die der “normalen” Kinder, um wenigsten halbwegs mithalten zu können. Es scheint, dass hier konventionelle Methoden nicht greifen. Den Kinder nur mehr zeit einzuräumen, ist nicht weit genug gedacht.
Zusammen mit Sabine Omarow, einer sehr erfahrenen Lerntrainerin und Expertin auf diesem Gebiet, haben wir ein vollkommen neues Lernsystem entworfen. Bis dahin galt es für Dyskalkuliekinder fast  als unmöglich, das 1×1 zu erlernen. Dieses Lernsystem sollte nun erstmals in einem Seminar angewendet werden.

Unsere Voraussetzungen für das Seminar waren nicht optimal. Es war brütend heiß, jedes Kind hatte eine andere Voraussetzung mitgebracht, daher schraubte ich meine Erwartungen eher zurück. Nora aus der 1. Klasse, Finn aus Klasse 2, Lukas aus der 7. Klasse (13 J.) und Mina aus der Klasse 6 (12 J.) waren mit ihren Müttern gekommen, dazu gesellte sich noch eine Schulpsychologin.

Phase 1: Start mit Zählen

Ich hatte 7 Stapel mit je 7 Gigiblöcken aufgebaut. Ich bat die Kinder, die Blöcke zu zählen. „50“, antwortete der Achtjährige. „Nein, es sind 49“, entgegnete der 13 jährige und das 12 jährige Mädchen meinte, dass 49 stimmen müsste. Tatsächlich hatten Finn und Nora gezählt und waren dabei ein wenig durcheinander gekommen. Beide hatten länger als die anderen für die Aufgabe gebraucht. Sie staunten, dass die Großen so schnell zählen konnten. Stolz verriet Lukas seine Taktik: Er hatte einen Stapel durchgezählt : 7. Schnell war ihm klar, dass 2×7 14 ist, zwei Stapel immer 14 ergeben, davon gab es drei. 14+14+14 = 42. Übrig blieb ein Stapel mit 7. Das Ergebnis musste 49 heißen. Mina meinte, dass sie 7×7 gerechnet hatte und so schnell zum Ergebnis gekommen war.Für eine Aufgabe gibt es scheinbar immer mehrere Herangehensweise. Das Lernen hatte bereits begonnen.

Mit Gigibausteinen Mathe lernen

Mit Gigibausteinen Mathe lernen

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Mathe lernen kann echt Spaß machen, stimmt’s Nora?

Phase 2:  Spielend lernen

Danach spielten wir mit den Gigi-Steinen. Jeder durfte eine Skulptur mit den 7 Steinen einer Säule bauen und anschließend erklären, was es sein soll- ein Turm, ein Tier, ein Fahrzeug. Ich bildete Teams mit zwei und drei Personen. Jeder durfte seine 7 Steine mitbringen. Als die Skulpturen fertig waren, bat ich die Kinder, die Steine jeder Figur zu zählen. Das war deutlich schwerer, als die Steine einer geraden Säule zu zählen. Die kleine Nora strahlte: „14 Bausteine sind in unserer Burg“. „Warum bist du dir so sicher, du hast doch noch gar nicht gezählt?“ „Brauch ich nicht: 7+7=14. Und das stimmt.“

Phase 3: Verdoppeln mit Kartenspiel

Dann bekamen alle ein Kartenspiel und sollten alle Kartenwerte verdoppeln. Die Großen steigerten sich bei dritten Versuch auf die Hälfte der Zeit. Das 1×1 mit der 2 saß aus dem Effeff. Leicht war die Malfolge mit der Zehn. Nach 5 Minuten brauchten wir uns darum nicht mehr kümmern.  Ich fragte Lukas und Mina, was ihnen schwer fiel. Die beiden nannten die Malfolgen mit der 4,6,7,8,9Die Malfolge mit der 9 hatten wir schnell im Griff, weil es dafür ein lustiges Fingerspiel gibt.

Phase 4 Malen, um die Reihenfolge der Buchstaben zu wissen

Zwischendurch übten wir die Reihenfolge der Buchstaben in unserem Alphabet. A=1, B=2, C=3 usw.. Dazu malten die Kinder Bilder und malten sie bunt aus. Das erfolgte in einer solch lockeren Atmosphäre, dass die Kinder nie das Gefühl hatten, Anstrengendes machen zu müssen. Am Ende dieser wichtigen Übung wussten die Kinder sehr genau, dass das I der 9. Buchstabe ist, das G der 7. und E der 5.

Phase 5 Mathe-Ergebnisse sammeln

Dann sammelten wir Ergebnisse. Die Erwachsenen halfen uns, Ergebnisse von Mal-Aufgaben des 1×1 mit der 3-9 zu nennen, die ich aufs Flip-Chart schrieb. Da standen dann solche Zahlen wie 36, 24, 56 und 81. Nach und nach ergänzten wir die Zahlen. Wie erstaunt waren die Kinder, dass am Ende gar nicht so viele Zahlen auf dem Papier standen. Nur 21 Mathe- Ergebnisse mussten gelernt werden, um das komplette 1×1 drauf zu haben. Die Kinder sahen eine Chance, das zu schaffen. Ich erklärte den Kindern, dass 3×4 das gleiche Ergebnis wie 4×3 ergab. Die 12 kam offenbar 2x vor. Vielen Dank noch an die Produzenten der Gigi- Blöcke. Die sind dafür genial.

Phase 6 Einsatz von Tagesliste und Monatsliste

Nun brauchten wir die von uns entwickelte Tages- und Monatsliste. Dyskalkuliekinder haben ein Problem mit abstrakten Zahlen. Daher unsere Idee, diese abstrakten Zahlen in Bilder zu verwandeln. Bilder verarbeitet unser Gehirn in einem anderen Zentrum. Gesagt, getan.  Nachdem wir die Zahlen in Bilder verwandelten, wurde es zum witzigen Spiel. Hier übertrafen sich die Kinder in fantasievollen Bildern. Da gab es 4 Musketiere, die auf einem Schwan kämpften (24), eine Schwangere, die ein Auto gebar (49) und einen Zwerg, der verrückter Weise seine Hose auf dem Kopf trug (72).

Als alle Bilder zusammengestellt und im Kopf der Kinder verankert waren, gratulierte ich ihnen, dass sie alle Ergebnisse des kleinen 1×1 wüssten. Staunen. „Aber wir haben die doch noch gar nicht gelernt?“ fragte Finn. „Da hast du Recht, wir müssen sie nur noch an die richtige Stelle in eurem Kopf legen und das machen wir morgen. Dann könnt ihr das 1×1 wirklich.“ Voller Vorfreude verabschiedeten wir uns voneinander.

Phase 6 Ergebnisse in das System einpflegen

Was wir am Sonntag nur noch tun mussten, war das Anhängen an mehrere ALMUT- Listen von Voigtis 1×1-System. Das ging genauso schnell, wie das Erschaffen der Fantasiebilder der Ergebnisse vom Vortag.

Wir hängten den Schwan mit den Musketieren (24) an die ALMUT- Liste mit dem C (Cowboy und Indianer) an die Stelle, wo der 8. Buchstabe vorkam, nämlich an das H. Dort fanden die Kinder einen Häuptling vor. Ihr Bild: Der Schwan watschelt mit seinen 4 Musketieren direkt auf einen Häuptling zu. Doch halt- sollten wir den Schwan nicht auch an die H- Karte (im Haushalt) hängen? Dort brauchten wir das Bild mit dem C. Wir schauten nach: Computermaus im Haushalt. Die Computermaus fütterte den Schwan mit seinen Musketieren. 4×6 und 6×4 ergaben aber auch 24. Beim Doktor war das 6. Bild (F) ein Fieberthermometer, das nun dazu diente, sowohl den Musketieren als auch dem Schwan Fieber zu messen, bei „Fernen Osten“ hängten wir den Schwan ans 4. Bild, an die Dschunke, mit dem er um die Wette schwamm.

Bild für Bild verknüpften wir in einer sehr lockeren und lustigen Atmosphäre an die einzelnen Bilder der ALMUT- Listen. Keine Spur von Matheangst, von Rechenschwäche. Zuletzt probten wir, ob auch alle Bilder an der richtigen Stelle saßen. Malfolge für Malfolge konnte abgerufen werden. Wir hatten genug Zeit, auch noch das Addieren und Subtrahieren zu üben, die Eltern mit ein paar Mathe-Zaubertricks zu verblüffen und den Großen ein paar Tipps aus der Vedischen Mathematik auf den Weg zu geben.

Alle Kinder waren sich am Ende einig: Mathe macht Spaß!  Die Aufgaben wiederholen die Eltern mit ihren Kindern zu Hause nur noch ein paar Mal, dann dürfte alles sicher sitzen.

Eine Mutti schrieb am nächsten Tag: „Heute schwebten meine Mädels schwebten zur Schule, das Wochenende war ein voller Erfolg.“

Ich denke, es war nicht unser letztes Seminar dieser Art.

Euer Jens

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