Die Faszination der intrinsischen Motivation

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Oder was an einem Gummihuhn so sensationell sein kann

„Du kümmerst dich bitte um den spielerischen Teil des Sportfestes, Jens!“
Meine Kollegin hatte offenbar Vertrauen in mein Gespür, die Kinder zwischen mehreren Leichtathletikstationen mit einem Spiel in Aktion zu bringen.
Andererseits wusste sie auch, dass ich auch gerne experimentiere und häufig einmal Neues ausprobiere.

Ich entschied mich für Hugalele, ein Outdoor-Strategiespiel, das in der Sozialpädagogik entwickelt worden war. Meine Tochter Anne hatte es mir empfohlen, da sie es oft in ihrer früheren Tätigkeit bei teambildenden Maßnahmen eingesetzt hatte. Wichtig war mir die Motivation der Schüler und deren Zusammenarbeit.
Da aber kurzfristig der Sportplatz gesperrt worden war, zogen wir dazu in die Turnhalle.

Als Spieleautor weiß ich, dass eine kleine Story für solch ein Spiel immer ganz hilfreich ist.
Zudem hatte ich einige Regeln geändert- aus Hugalele wurde “Der Kampf um das heilige Huhn”
Den vor mir sitzenden Klassen erzählte ich :

„Zwei Völker besitzen je ein heiliges Huhn, das magische Kräfte besitzen soll. Besitzt ein Volk beide Hühner, hat es die Weisheit der anderen erobert. Dies geht übrigens gewaltfrei und fair ab- die Krieger anerkennen die Kraft und Schnelligkeit der Gegner und gehen, falls diese sie gefangen haben,  freiwillig ins Gefängnis. Allerdings können sie aus dem Gefängnis auch wieder befreit werden. Nämlich, wenn ein eigener freier Krieger sich zum Gefängnis durchgekämpft hat und sie berührt.
Zum echten Krieger aber werden sie erst wieder, wenn sie das eigene Land wieder erreicht haben.
Gelingt es einem Team, das gegnerische Huhn ins eigene Land zu holen (es muss natürlich vorsichtig behandelt werden und darf in keinem Fall geworfen werden), hat das Team einen Punkt erzielt.

Mit ein paar Helfern hatte ich das Spielfeld vorbereitet. Eigens zum Sportfest entstanden in der Lernwerkstatt einige Schilder mit den Aufschriften „Finsterer Knast“, „Heiliges Huhn“ und „Rettende Insel“ . Das Spielfeld war aufgebaut und zudem an die Tafel skizziert worden. Die wenigen Spielregeln waren damit schnell erklärt. Dann konnte das Spiel beginnen.

Von der ersten Sekunde an konnte man in den Gesichtern die Spannung, Spaß und Einsatzwillen ablesen. Motivation pur.
‘Würde ich vielleicht der/diejenige sein, die das Huhn über die Linie trägt? ‘ Ich denke, viele hatten diesen Gedanken.
Die Aufgabe klang so leicht- das Huhn der anderen lag nur etwa 10 Meter vom eigenen Land entfernt in seinem Käfig, bis zur eigenen Insel waren es gar nur 5 Meter. Doch schnell war klar, dass jedes Volk sein eigenes Huhn natürlich auch beschützte.

Hugalele (1) HugaleleInsel
Schnelle Jungs, Sprintasse mussten feststellen, dass sie von „langsameren“ Mädchen durchaus gefangen werden konnten, wenn diese zu dritt zusammenarbeiteten. So waren die Schnellsten meist als erste im „finsteren Knast“. Die Hoffnung lag nun auf den Zweitschnellsten….

Nach und nach füllte sich das Gefängnis oder die Insel, doch während sich nun alle auf die Favoriten konzentrierten, schnappte sich unbemerkt das kleinste (und vermeintlich schwächste) Mädchen das Huhn, flitzte mit ihm in ihr Land und gewann den ersten Punkt. 1:0

„Können wir noch eine Runde spielen, Herr Voigt?“
Auf den Stirnen der Spieler war Schweiß getreten und es war den Gesichtern anzusehen, dass sich jeder sehr angestrengt hatte. Es war noch genug Zeit und wir konnten eine zweite Runde spielen.
Zuvor gestattete ich ihnen eine Strategieberatung. Ab jetzt wurde gemeinsam gehandelt. Aber dummerweise gingen die Gegner nun ebenfalls taktisch geschickter vor.
Überall musste man seine Augen haben. War man in „Feindesland“, konnte man abgeschlagen werden, doch nur hier konnte man das heilige Huhn erobern oder die eigenen Leute aus dem Gefängnis befreien. Gleichzeitig durfte man das eigene Land nicht ungeschützt zurücklassen.
Verzwickte Situation.

Als die Zeit an der Station abgelaufen war, lagen sich die Gegner teilweise in den Armen, lachten und scherzten über hereingefallene Finten und misslungene Ausbruchversuche. Niemand hatte versucht, die Regeln zu umgehen, niemand ging unfair zuwege und alle fühlten sich als Team. Die Schiedsrichter hatten wenige Arbeit.

Mehrfach kamen auch wieder Schüler zurück in die Halle und boten sich an, bei der einen oder anderen Mannschaft auszuhelfen (und das, nachdem sie gerade einen 1000m- Lauf hinter sich hatten).
Ich wünsche jedem Kollegen, dass die intrinsische Motivation seiner Schüler derart groß ist.

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