Bitte Vorlesen!

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Wirkungen von vorgelesenen Geschichten im Kleinkindalter und im frühen Schulalter

Büchestapel zum Vorlesen

Eltern leben es vor- vorlesen oder nicht?

Vielleicht weißt du, dass ich vor einiger Zeit einen Tropfenroman geschrieben hatte. Eigentlich begann dieses Abenteuer sogar schon vor 35 Jahren, als unsere Töchter damit aufwuchsen. Abends gab es immer eine Gute- Nacht- Geschichte. Mal von Mutti, mal von Papa. Tatsächlich machte ich es so, wie es damals meine Eltern mit mir gemacht hatten, abends Geschichten zu erzählen.
Vielleicht sind mir die Art der Geschichten meines Papas besonders hängengeblieben, weil er immer nur am Freitag Geschichten von Flips und Flaps, den beiden Zwergen erzählte, wenn er als Bäcker früh ins Bett gehen musste, um in der Nacht um 2.00 Uhr aufzustehen. Mutti, meine Tante oder meine Omas waren eher die Vorleserinnen von Geschichten.
Flips und Flaps waren auch die ersten Erzähl- Figuren, die ich in meine Geschichten einbaute. Tagsüber wurden immer wieder Bücher vorgelesen.

Tommys Abenteuer kamen später dazu, da war Steffi schon 8 und Anne 4 Jahre alt. Heute, 2019 sind beide selbst Muttis. Nun ist es an ihnen,  ihren Kindern vorzulesen. Beide Familien lieben diese Rituale. In dieser Zeit entstand auch mein Kinder-Roman „Tommy Tropf“. Als Autor freue ich mich natürlich, dass meine Helden Tommy, Tröpfchen, Staubi und Körnchen zu den Lieblingshelden meiner 4 Enkel geworden sind. Täglich wird ihnen aus dem Buch und aus anderen Büchern vorgelesen. Mein Schwiegersohn meinte letztens, dass seine drei Schützlinge darauf bestanden haben, die 300 Seiten nun auch noch zum dritten Mal vorzulesen.
Zur Zeit lese ich das Buch als Hörbuch ein. Das Buch selbst ist zur Zeit vergriffen, wir arbeiten eifrig an der 2. Auflage.

Eine kleine Hörprobe

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Lesen- die Situation in deutschen Schulen

Als ich meine Tommy- Geschichten in einer Grundschulklasse vorlas, bemerkte ich, dass anfangs alle Kinder gespannt lauschten, dann aber einige Kinder trotz spannendem Handlungsverlauf, nach 10 Minuten sich nicht mehr konzentrieren konnten.
Ich sprach mit der Lehrerin darüber. Sie war darüber nicht verwundert, weil sie wusste, dass vielen Kindern zu Hause nicht vorgelesen wird. Sie sind es schlichtweg nicht gewohnt, über längere Zeit jemanden zuzuhören. Eine Umfrage ergab, dass 40% der Kinder noch NIE eine Gute- Nacht- Geschichte gehört hatten. Nur 40 % wird bzw. wurde regelmäßig vorgelesen und bei vielen endete das Gute- Nacht- Ritual (wenn es denn eines gab) in einer Hörgeschichte von einer CD, mit der die Kinder allein gelassen wurden.

In einer 7. und in einer 8. Klasse, beides zZ höchst schwierige Klassen in unserer Oberschule, ahnte ich das Ergebnis dieser Umfrage: Nur 15% von ihnen wurde im Alter von 1-9 Jahren vorgelesen. Sicherlich waren die meisten Vorlesekinder alle ins Gymnasium gewechselt. 85 % der Jugendlichen kannten solch einen Tagesabschluss nicht. Ein Schüler meldete sich, als ich die Frage stellte, wer gerne lesen würde.  Wie viele von diesen Schülern werden ihren Kindern später als junge Eltern vorlesen?

Studie zum Vorlesen

Eine Studie der Ohio-State-University ergab, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Vorlesen im frühen Kindesalter und anschließender Sprachkompetenz gibt. Während Kinder, denen nicht vorgelesen wurde bis zum 5. Lebensjahr 4662 Wörter zu hören bekamen, waren es Kinder, mit denen regelmäßig gelesen wurde bis zu 1.482.000 Wörter. Der verarmte Sprachwortschatz, die Unlust, etwas zu lesen, die mangelnde Ausdrucksfähigkeit und das schwach ausgebildete Sprachverständnis in unseren Schulen- all das kommt nicht von ungefähr.

Auswirkungen des Vorlesens auf Sprach- und Lesekompetenz

Heute wissen wir: Das Vorlesen durch die Eltern ist die beste Übung für das spätere Leseverhalten der Kinder. In Hinblick auf die Sprechkompetenz trainiert das Vorlesen mehrere Aspekte:

Hörverständnis
Ausdrucksfähigkeit
Sprachwortschatz wird deutlich verbessert
• Verbale Kommunikation steigt an
• Nonverbale Kommunikation
• Sprachmelodie
• Der eigene Lesefortschritt geht schneller, leichter voran
• Besseres Schreiben, schneller schreiben lernen

Auswirkungen auf Gehirn und kognitive Fähigkeiten

Auch auf das Gehirn direkt hat das Vorlesen nachweisbare Auswirkungen

• Das Brocazentrum wird verstärkt (steuert die Sprachverarbeitung)
Neue Nervenbahnen werden ständig gebildet und später myelisiert
Kortikale Rinde im Hirnlappen wird verdickt (logisches Denken)
• Mehrere Nervenzentren werden miteinander vernetzt
• Das Vorstellungsvermögen wächst
Konzentrationsfähigkeit steigt
Merkfähigkeit wird trainiert

Soziale Auswirkungen

Nicht zuletzt hat das Vorlesen eine große soziale Wirkung auf die Kinder

• Die Kinder erfahren indirekt: Ich werde beachtet, Vati/Mutti schenkt mir einen Teil seiner Zeit
• Die ist auch gleichzeitig ein Liebesbeweis
• Die Kinder spüren die soziale Nähe, entwickeln ihr Vertrauen
• Wichtig ist das Sprechen über das Gelesene, und dabei vor allem der Sprechanteil der Kinder
• Die Kinder werden in die Lage versetzt, in andere Rollen und Situationen zu schlüpfen
• Sie entwickeln ihre empathischen Eigenschaften

Tipps an junge Eltern zum Vorlesen

1. Lest euren Kindern vor, regelmäßig! Ihr legt damit die Grundlage für die Intelligenz eurer Kinder und ihr künftiges Lernverhalten. Vor allen aber seid ihr Vorbilder für eure Kinder, die dadurch spüren, dass Lesen etwas ist, was zum Lernen dazu gehört. Nur dadurch werden eure Kinder später zu Bücherwürmern und tauchen in die Abenteuer der Bücher ein und nicht nur in die kunterbunte Spielwelt der Computerbranche.

2. Findet regelmäßige Rituale, die dann vom Termin auch heilig sein sollten.

3. Sprecht mit euren Kindern darüber, was sie interessieren könnte, geht dazu vielleicht in eine Bibliothek und lasst die Kinder entscheiden, welche Bücher vorgelesen werden. Natürlich sollten sie altersgerecht sein.

4. Stiftung Lesen ermittelte in einer Studie, dass neben dem Vorlesen an sich es sehr wichtig ist, über das Gelesene noch einmal zu sprechen. Dabei sollte der Sprechanteil der Kinder deutlich größer sein als der der Erwachsenen.

5. Wenn auch Papa vorliest, ist das vor allem für Jungs ein Signal, dass das Lesen auch etwas für Jungen ist.

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Welches sind eure Erfahrungen?  Wie war es bei Euch ? Was und wie lest ihr Euren Kindern vor?
Schreibt das doch unten in die Kommentare. Ich würde mich freuen

Bis zum nächsten Mal

Euer Jens

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